Wo begegnen sich aufgeschlossene, interessierte und begeisterungsfähige Gleichaltrige aus aller Welt, die nicht nur über Gott und die Welt diskutieren sondern auch jede Menge Spaß haben?
Eine Antwort auf diese Frage bot mir eine der insgesamt 9 Deutschen SchülerAkademien (DSA) in Rostock, die vom 28. Juni bis zum 14. Juli 2012 stattfand.
Hier lernten wir Teilnehmer in einzelnen Kursen Themen kennen, die von „Wenn das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile“ über „Das sprechende Gehirn“ bis hin zu „Fremdes und Eigenes im Dokumentarfilm“ reichten.
Unter all diesen Kursen galt meiner mit dem Thema „Die mathematische Anatomie des Universums“ als der „gekniffenste“: Zu „Mathematiker“ degradiert und mit natürlich nicht wirklich ernst zu nehmenden, andererseits aber auch berechtigten Vorurteilen konfrontiert, hatten wir im Vergleich am meisten mit dem komplexen Stoff unseres Kurses zu kämpfen. Nicht nur, dass der geplante Kursinhalt (wie von unserem als Kursleiter schon erprobten „Mathe-Physik-Genie“ geplant) die vorgesehenen 50 Unterrichtsstunden rein zeitlich sprengte, was durch Einsparungen der Pausen behoben wurde. Auch der Unterrichtsstil war wohl am trockensten. Anstelle von gemeinsamen Diskussionen und Arbeiten in der Gruppe hat uns hauptsächlich „Genie“ Frederick die mathematischen Theorien á la Univorlesung erklärt. Besonders herausfordernd war dabei nicht nur der interessante, wenn auch hoch komplizierte Stoff, sondern vielmehr die Art des Vortrags. Wir mussten gleichzeitig von der Tafel schnell mitschreiben, den Erklärungen zuhören, diese verstehen und durften den roten Faden nicht verlieren. Obwohl diese Form des Unterrichts sehr einseitig klingt (und wahrscheinlich auch war), schaffte es Frederick durch seinen unglaublichen Enthusiasmus und sein hohes Niveau die Stunden spannend zu machen. Auch wenn es mir nicht jeden Tag gelang, den Inhalt vollständig zu erfassen, bin ich dennoch stolz, die Grundideen verstanden zu haben. Insbesondere die letzten drei Tage wurden fachlich etwas einfacher, da nun das im Eiltempo angeeignete mathematische Wissen auf ein mathematisches Modell des Universums übertragen wurde. Besonders faszinierend empfand ich die Art und Weise, wie aus wenigen Grundannahmen die Raumzeit und damit z.B. auch ein schwarzes Loch mathematisch darstellbar wurden.
Eine besondere Unterbrechung unserer geistigen Akrobatik wurde durch ein Klingeln von Fredericks Handy herbeigeführt. Allein die Tatsache, dass er sich in seinen Ausführungen unterbrechen ließ und Tafel sowie Kreide an unseren zweiten Kursleiter übergab, um für geschlagene 15 Minuten aus dem Klassenraum zu verschwinden, war ungewöhnlich. Unsere Verblüffung wurde durch die Neuigkeit aus erster Hand, das Higgs-Teilchen – oder treffender: der Nachweis einer dazu passenden Energie – sei entdeckt worden, noch größer. Auch wenn uns das zeitlich zurückwarf, erklärte uns Frederick im Anschluss genauer, was eigentlich nachgewiesen war und was nicht. Auf diese Weise hatte unser Unterricht einen unerwartet aktuellen Bezug bekommen.
Neben der Kursarbeit gab es außerdem ein umfangreiches Programm in Form von kursübergreifender Musik unter professioneller Leitung und weiteren kursübergreifende Aktivitäten, welche von allen Teilnehmern selbst organisiert wurden. Im Angebot waren neben morgendlichem Joggen, Bogenschießen und anderen Sportarten auch Schauspielern, Malen/Zeichnen sowie Einführungen in Fremdsprachen (u. a. Spanisch, Griechisch, Französisch).
Damit wir nicht nur das Innere unserer „Residenz“, der CJD Jugenddorf-Christophorusschule Rostock, zu sehen bekamen, wurde der erste Dienstag zum Exkursionstag ernannt. Jeder hatte die Möglichkeit, an einer von vier Exkursionen teilzunehmen. Zur Auswahl standen

  • Kanutour auf der Warnow, die durch Rostock fließt
  • Fahrradtour durch die schöne Landschaft rund um Rostock
  • Besuch des Ozeaneums, einem Museum mit riesigen Aquarien und beeindruckenden Fischen
  • Erkundung von Wismar und Bad Doberan

Um einen Eindruck in die Arbeit der anderen Kurse zu gewinnen, war am zweiten Samstag der Rotationstag. Hier konnte sich jeder DSAler drei Vorträge über die bisherigen Ergebnisse aus den anderen 6 Kursen anhören. Dabei wurde jeder Kurs in Gruppen aufgeteilt, die den Vortrag selbst erarbeiteten und hielten. Im anschließenden Volleyball-Turnier mit integriertem Cheerleading-Wettkampf wurden sportlerisches und tänzerisches Können auf die Probe gestellt. Hierbei wurden wir Mathematiker jeglichem Vorurteil (Stubenhocker, Theoretiker und zu-nichts-außer-zu-verwirrenden-Diskussionen-zu-gebrauchen) gerecht, als unsere in aller Eile erarbeitete Choreografie nach etwa 40 Sekunden in heillose Improvisation verfiel, weil der abgespielte Song eine andere Version als unsere war. Trotz dieser Pleite war es ein wunderbarer Abend, der durch eine anschließende Party – natürlich ohne Alkohol, aber mit viel Musik – abgerundet wurde.
Neben diesem vielfältigen und fordernden Programm kam auch die Freizeit nicht zu kurz. So stand jeder Sonntagmorgen uns DSAler zur freien Verfügung. Eine Massenstürmung von Bus und Bahn Richtung Warnemünder Strand war angesichts des fantastischen Wetters die Folge.
In der letzten Woche war die anstehende Dokumentation der Kursarbeit (neben zahlreichen zum Tag gemachten Nächten) der Hauptgrund für das Problem, welches sich mit dem Zitat: „Wir sind hier keine Schlafakademie!“ eines Mathematikers – wie gesagt unser Kurs war sehr zeitintensiv – wohl am treffendsten umschreiben lässt.
Trotzdem: Es war eine unvergessliche Zeit, in der ich viele wertvolle Erfahrungen gesammelt und eine Menge tolle Leute getroffen habe. Ich würde jederzeit wieder an einer SchülerAkademie teilnehmen.

Andrea Hanke